Kirche trotz allem - Genna Website 2022

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Warum ich nicht aus der Kirche austrete

Offenbar muss man sich heute als "früheres kirchliches Personal" rechtfertigen, warum man nicht aus der Kirche austritt. Die Spitzen der römisch-katholischen und der rerformierten Landeskirche der Schweiz geben diesbezüglich ein jämmerliches Bild ab: ein katholischer Bischof ist angeblich aus der (Landes-) Kirche ausgetreten, weil es in seinem kirchlichen Weltbild keinen Platz für Demokratie, Frauengleichtellung, staatliche Strafuntersuchungen gegen Priester wegen sexueller Missbräuche usw. hat. Die lateinische Messe mit dem Rücken zu den Gläubigen gefeiert ist für ihn der Massstab der Katholizität, die Juden kommen im Gebet als Bekehrungswürdige vor, welche Jesus ans Kreuz genagelt haben, und die Gläubigen mögen ihr Scherflein nicht dem Landeskirchenvogt abgeben, sondern direkt dem Papst......  Auch ein schweizerischer reformierter Bischof ist gleichermassen aus der reformierten Kirche ausgetreten, weil sich die böse Welt gegen ihn verschworen hat. Beide Männer aus der höchsten kirchlichen Hierarchie treten natürlich mit medialem Getöse aus, mit wüster Beschimpfung der Organisation, welche sie ja immerhin während Jahren geleitet haben........  Sie bilden nun eine Einpersonen-Kirche, wo ihnen niemand dreinredet und wo sie immer Recht haben. Standesregeln über das moralische (nicht nur rechtliche) Verhalten hinaus gibt es ausserhalb der Organisation nicht, und schon gar nicht muss man sich mit dem feministischen "me-too"- Getue auseinandersetzen, das sowieso des Teufels ist. Also nicht nur wie der französische Sonnenkönig: "L'Etat c'est moi", sondern sogar "L'Eglise c'est moi".
Trotzdem bleibe ich also bei dieser reformierten Kirche. Dabei liegt für mich die Betonung nicht auf reformiert, sondern auf Kirche, auf "Gemeinschaft der Gläubigen", welche ihren Glauben auch sehr unterschiedich verstehen und ausüben mögen. Und die Kirche ist ja auch nur ein Hilfskonstrukt, so wie jedes Zusammenleben letztlich ein Hilfskonstrukt ist, weil kein Mensch für sich selbst bestehen kann. Wir brauchen einander, auch wenn wir uns aneinander reiben. Wer Kirche nur als Garant für sein privates Seelenheil versteht, der hat eine völlig andere Kirche im Visier als ich. Glaube ist mehr als private Erbauung. Zur Ecclesia (Gemeinschaft) gehört auch die Diakonie, der "Dienst am Nächsten" gehört seit den ersten Tagen der Christenheit zum Zentrum des Glaubens, deshalb gibt es ja in unserer Kirche nicht nur das Amt des Wortverkünders (PfarrerIn), sondern gleichberechtigt auch jenes des Diakons oder Diakonin. Angesichts der menschlichen Not auf der Welt und in der Schweiz wäre eine Kirche ohne Diakonie nicht erträglich. Und zur Diakonie gehört eben auch, dass die Kirche ihre Stimme gegen Ungerechtigkeiten und für Frieden erhebt, dass sie selbst in Kriegszeiten zumindest um Frieden bemüht ist, selbst wenn es nicht so einfach ist. Wie wären wir doch froh, wenn Kirill in Russlan wenigstens nicht noch ins Feuer blasen würde, welches eh schon brennt. Doch Achtung, wenn Sie jetzt auf die "bösen Russen" zeigen: im Ersten Weltkrieg waren es gerade die Deutschen (Lutheraner und Katholiken), welche den Krieg anstachelten. Papst Franziskus I hat zumindest symbolisch gegen den aufkeimenden Völkerhass opponiert, ich bin ihm dankbar, und dass er sogar in der Schweiz deswegen angegriffen wurde, macht mich letztlich traurig.

Ebenso ein gleichberechtigtes Amt ist aber auch jenes der Kathechese, der Weitergabe des Glaubens. Hier haben wir während Jahrzehnten ein Manko entstehen lassen, und wenn ich der reformierten Landeskirche etwas vorwerfe, so dass sie sich viel zu wenig um die Werte-Erziehung der Jugend gekümmert hat. Glücklicherweise gibt man nun Gegensteuer. Im Westen wird immer von "Verteidigung unserer Werte" gesprochen, ohne dass geklärt wird, was dies eigentlich heisst. Auch Putin beruft sich auf seine "christlichen" Werte. Doch weder wir im Westen noch der russische Kriegs-Feldherr stehen wirklich für die Werte von Jesus Christus ein, je nach Interessenlage werden diese sehr rasch in die eine oder andere Richtung gedehnt, bei uns allzu oft in die Richtung des Geldes. Dass es keine christlichen Werte sein können, wenn man ein Nachbarland überfällt, dort alles und alle kaputt macht, Menschen hinmetzelt, das muss nun wahrllich nicht weiter erörtert werden.

Wortverkündigung und Gemeinschaft / Seelsorge: Zu einem guten Gottesdienst gehören Wort, Musik und Gesang. Dies geht nicht ohne Gastfreundschaft, und dahinter die Stütze durch ein "Backoffice". Für das Wort sind in Thun Stadtkirche die Pfarrerinnen (z.B. Margrit Schwander, Rebecca Grogg, Martin Kölbing, letztes Jahr auch Hans Zaugg) zuständig. Nach dem Motto "sola scriptura" schätze ich ein klares "Wort aus der Bibel". Unsere Pfarrpersonen sind keine "Blender" und keine "Sonny Boys" oder "Sonny Girls", ja manchmal ärgere ich mich über sie. Dann aber freue ich mich, dass sie ihren Dienst treu versehen, manchmal vielleicht auch etwas frustiert wenn die Kirche wieder mal leer ist oder wir "Schäflein" nicht genügend Wertschätzung zeigen. Gerade deshalb sollten wir mal sagen, dass wir ihren Einsatz schätzen. Doch auch wenn wir mit PfarrerInnen und BischöfInnen, vor allem aber mit den Administratoren ("alte weiss Männer")  nichts anfangen können, so ist da noch die Musik. In Thun werden wir in jedem Gottesdenst verwöhnt von der Weltklasse-Organistin Babette Mondry und dem Motivator Simon Jenny als Leiter der Thuner Kantorei. Auch die Musik und der Gesang stehen im Dienst des Wortes. Und was wären die alten Mauern der Stadtkirche ohne unseren Sigirsten? Ein dreckiger Steinhaufen aus dem Mittelalter, eine Ruine wie in Rüeggisberg, ohne jeden Mehrwert für die heutigen Menschen. Dass es der Kirchgemeinde Thun gelungen ist, mit Jörg Schüpbach einen gastfreundlichen Thuner anzustellen, verdient höchste Anerkennung   -  und versöhnt mich sogar mit den kirchlichen Administratoren (sorry, ich weiss, gemäss Kirchenordnung heisst dieses Amt "Gemeindeleitung"), die ich manchmal ins Corona-Pfefferland gewünscht habe. Ich gehe in mich: auch Administratoren können Christen sein (sogar ehemalige Kirchenschreiber!). ;-)
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