Johanneskirche - Genna Website 2018

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Johannesskirche Strättligen
Zurück auf Feld 1: Neubeginn statt Zwängerei

In der Auseinandersetzung um das kirchliche Zentrum Thun-Strättligen müssen wir vom Glaubenskrieg wegkommen. Wenn sich Befürworter und Gegner des Zentrums nur noch in separaten Versammlungen mit ihren Anhängern treffen und sich dort "Mut zusprechen", wenn kein Dialog mehr stattfindet, dann ist in dieser Kirche etwas falsch gelaufen. Und erst recht, wenn auf Andersdenkende Druck ausgeübt wird, da werde auch ich emotional und stelle mich auf die Seite der Schwächeren!

Ich hoffe sehr, dass man mit einem Ja zur Initiative den Dialog wieder aufnehmen kann. Wird die Initiative abgelehnt, dann begehen wir einen Schildbürgerstreich erster Güte: wir schliessen ein intaktes Kirchenzentrum, das auch dem Quartier dient und das dem Quartier noch viel mehr dienen sollte. Was gewinnen wir mit der Entwidmung eigentlich? Abreissen: geht nicht, wegen Denkmalschutz. Gesamtrenovation: geht zum jetzigen Zeitpunkt nicht, weil zu teuer. Verkaufen: das ganze architektonische Konzept ist auf eine kirchliche und quartiernahe Nutzung ausgelegt. Wer die Führung von Dr. Bernhard Furrer miterlebt hat, muss berührt sein von allen Ueberlegungen, die sich der projektierende Architekt gemacht hat und die am Bau ablesbar und auch spürbar sind. Die Johanneskirche Strättligen ist nicht einfach ein Zweckbau, es ist ein eigentliches Kunstwerk mit christlicher Symbolik.
Dass man dem Geld den Vorrang vor dem Geist gegeben hat,  dafür habe ich kein Verständnis. Ich wünsche mir eine Kirche, in welcher man pfleglicher miteinander umgeht und in welcher Menschen, die eine andere Meinung haben, nicht ausgegrenzt werden. Der Kleine Kirchenrat und vor allem der Kirchgemeinderat Thun-Stadt haben die Haltung zur Initiative zum "Status Confessionis" erklärt, zur Glaubenssache. Schade, dies hat viel Vertrauen zerstört. Eigentlich müssten wir alle gemeinsam beten, dass das zerbrochene Geschirr wieder gekittet werden kann. Wer lädt Befürworter und Gegner der Initiative zu einem Abstimmungs-Gebet ein?
Also welche Umnutzung? Ausser der Stadt Thun oder einer religiösen Sekte ist kurzfristig kein Käufer denkbar, wenn man die Kirche nicht abbrechen und darauf eine Wohnüberbauung realisieren will. An der Info-Veranstaltung im März wurde die Behauptung, dies sei die eigentliche Absicht des Kleinen Kirchenrats, als "Lüge" bezeichnet. Hingegen halte ich eine Oeffnung der Nutzung und damit auch eine Mitfinanzierung als sehr wohl möglich und erstrebenswert. Mein Minarett-Scherz vom 1. April war keine Stimmungsmache, auch wenn ein Verkauf an den Islamischen Zentralrat natürlich absurd ist. Aber warum nicht zumindest eine interkonfessionelle Oeffnung: es gibt heute viele (christliche) Migrationskirchen, denen man zu einem würdigen Treffpunkt verhelfen könnte, oder in Bern gibt es ein Haus der Religionen, in welchem alle Weltreligionen unter dem gleichen Dach einen Ort der Begegnung betreiben. Warum nicht ein Haus der Religionen in Dürrenast? Doch dafür braucht es keine Entwidmung, sondern einen ernsthaften Diskurs mit vielen Beteiligten, auch mit dem Quartier.

Ich bin erst spät in die Diskussion eingestiegen, denn eigentlich wollte ich mich draus halten. Natürlich bin ich ein Dürrenästler aus der Unterschicht, natürlich verstand ich nie, warum man "meine" Jugendkirche nach 50 Jahren aufgeben wollte. Interessanterweise wurde ausgerechnet Heinz Leuenberger, heute der Hauptexponent der gegnerischen Abstimmungspropaganda, in einer denkwürdigen Kirchgemeindeversammlung mit 700 Anwesenden zum Pfarrer gewählt; mobilisiert hatten vor allem Sozialdemokraten, von denen er heute sagen würde: "Die habe ich noch nie in der Kirche gesehen". Doch auch Leute, die man nie in der Kirche sieht ausser bei Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen, können Christen sein, oder schickt man denen die Kirchensteuern zurück?  Durch die unsägliche Informationsversammlung von März sah ich mich veranlasst, mich zu engagieren, auch wenn ich gegen eigene Parteigenossen antreten muss. Ich bin aber kein Hardliner, sondern hoffe auf einen sinnvollen Dialog.

Deshalb hier meine differenzierte Haltung:
  1. Der Kleine Kirchenrat macht sich zu Recht Sorgen um die Zukunft, auch um die finanzielle Zukunft. Es ist durchaus richtig, dass er sich Einsparungen bei den Liegenschaften überlegt.
  2. Der Kleine Kirchenrat hat sich durch Kostenschätzungen für eine Totalsanierung ins Bockshorn jagen lassen: Natürlich wäre eine Investition von 5,5 Mio im jetzigen Moment kaum zu stemmen. Statt sich nun von Spezialisten beraten zu lassen, die etwas vom Umgang mit denkmalgeschützten Gebäuden verstehen,  hat er den Turbo gezündet und gemeint, mit einer raschen Entwidmung seien alle Probleme gelöst.
  3. Leider hat er dadurch die Kirchgemeinde gespaltet, und leider gab es Leute, welche diese Spaltung nach dem Motto "divide et impera" noch förderten. Da wurden die Quartiere und Kirchgemeinden gegeneinander ausgespielt, das Personal gegen Gebäude. In einer Kirchgemeinde ist dies eigentlich ein no go.  Auch mir ist das kirchliche Leben wichtiger als das Gebäude, aber kirchliches Leben braucht auch einen geeigneten Raum. Oder wie es ein Pfarrer ausdrückt: "Ich kann nicht das ganze Jahr Waldweihnachten veranstalten". Das gilt auch für Altersnachmittage, KUW, diakonische Angebote für Trauernde etc etc.
  4. Die Entwidmung einer Kirche ("Gotteshaus", auch wenn man wie ich ur-reformiert ist und Kirchen nicht als "sakral" ansehe) ist mit Schmerzen verbunden und kann nur als ultima ratio in Frage kommen, wenn es keine andere Lösung gibt (eindrücklich die Mahnung von Pfarrer Jan Veenhof an der Orientierungsversammlung vom 6.4.2018 in der Johanneskirche).
  5. Das kirchliche Zentrum Johannes hat aber eine grosse Bedeutung nicht nur als kirchlicher Predigtort, sondern als Quartierzentrum. Hier finden Weihnachtsfeiern eines Behindertenheims, Konzerte, Krippenspiele, Quartierfeste statt. Natürlich kann man alles in die Stadtkirche oder in die Schönaukirche verlegen, oder man kann nicht-kirchliche Veranstaltungen einfach abweisen. Doch damit wird ein ganzes Quartier sozial und kulturell "ausgehungert". Die nahe Markuskirche ist niemals in der Lage, alle Events aufzunehmen, sie ist nämlich schon jetzt ausgelastet.
  6. Die Betriebskosten können gesenkt werden, wenn noch mehr kirchenferne Anlässe halt kostenpflichtig hereingeholt werden oder wenn für diese Funktion als Quartierstützpunkt Mitträger gesucht werden. Dies löst nicht alle Probleme, aber wir bekommen Zeit für eine Gesamtschau. Dazu braucht es keine Entwidmung der Kirche. Und wer imner noch von Renovationskosten von 5,5 Mio spricht, handelt spätestens seit dem Referat von Dr. Bernhard Furrer wider besseres Wissen! Uebrigens, auch die Architektengruppe, welche im Auftrag des Initiativkomitees eine Schätzung abgegeben hat, besteht keineswegs nur aus "Hoby-Architekten".
  7. Unsinnig ist die Drohung, dass bei Annahme der Initiative sofort eine andere Kirche geschlossen werden muss. Die Gesamtkirchgemeinde Thun pfeift nicht aus dem letzten Loch. Neben kurzfristigen Kosteneinsparungen (z.B. Senkung der Raumtemperatur gemäss Empfehlung Dr. Furrer) und Mehrerträgen müsste ein Strukturdialog eingeleitet werden, in welchen auch die Frage der Nutzungen eingebettet ist. Heinz Leuenberger hat zu Recht darauf hingewiesen, dass in der komplizierten Struktur von Gesamtkirchgemeinde und Einzelkirchgemeinden die Verantwortung für Geld und Geist zusammengeführt werden sollten, dem kann ich nur zustimmen.
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